Sonntag, 26. November 2017

Mischflächen in Karlsruhe

Teil des Lösungskonzepts in Karlsruhe sind sogenannte Mischflächen, der sogenannte Fall 6 (siehe https://www.karlsruhe.de/b3/verkehr/automobil/gehwegparken.de).
4.6. MISCHFLÄCHE („FALL 6“)
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
1. Hoher Parkdruck
2. Sehr geringes Verkehrsaufkommen, kein Durchgangsverkehr und niedrige
Geschwindigkeiten, also beispielsweise Stichstraße
3. Die verbleibende Fahrbahn in der Mitte für alle Verkehrsteilnehmenden
als Mischfläche ist in der Regel 3,50 Meter breit.
4. Die Hauszugänge können gewährleistet werden,
auch für Rettungsdienste mit Trage.
Mischflächen funktionieren in der Praxis häufig recht gut, wenn das
Verkehrsaufkommen und die gefahrenen Geschwindigkeiten niedrig und wenn
die Sichtbeziehungen gegeben sind. Voraussetzung ist somit, dass praktisch kein
Durchgangsverkehr zu beobachten ist. Auch hier müssen die Belange besonders
schutzwürdiger Menschen bei der Abwägung stark gewichtet werden.
Wenn man sich das so durchliest, dann denkt man, es würden gemeinsame Verkehrsräume erschaffen, wo alle Teilnehmer irgendwie gleichberechtigt sind - so wie dies im Ausland auch teilweise bereits gut funktioniert (nennt sich dann Shared Space).

Bei uns in Deutschland ist das aber leider anders. Es gibt einerseits den "echten" verkehrsberuhigten Bereich, der aber nur in sehr ruhigen Bereichen genutzt werden darf. Und andererseits gibt es den sogenannten verkehrsberuhigten Geschäftsbereich, der aber nichts anders ist als eine Tempo 20 Zone, wo eine Tempo 30 Zone zu schnell erscheint. Nicht mehr und nicht weniger (siehe Hintergründe weiter unten).

In Karlsruhe werden solche verkehrberuhigten Geschäftbereiche nun unter dem fehlleitenden Titel "Mischfläche" als Mittel der Wahl genutzt, um die Parkplatzprobleme zu lösen in Situationen, wo der Gehweg total entfällt. Wir denken nicht, dass das vom Gesetzgeber so geplant war und haben daher nun die Stadt Karlsruhe zu einer offiziellen Stellungsnahme aufgefordert. Die bisherige Kritik bei kleinen Flächen (Lothringer Straße) in Knielingen, wurden nämlich bisher wie folgt beantwortet
Da in der Lothringer Straße beidseitig der Gehweg aufgegeben wurde, haben wir zum Schutz der Fußgänger eine streckenbezogene Geschwindigkeitsreduzierung von Tempo 20 angeordnet.
Die Beschilderung der Straße wird zeitnahe umgesetzt.
Rechtlich läuft es dort auf folgendes hinaus: Der Fußgänger und die kleinen Kinder auf dem Fahrrad müssen auf die Straße und hoffen, dass das Auto ihn bei Tempo 20 hoffentlich nicht umfährt. Es hat nicht mehr die Sicherheit, die normalerweise ein Fußweg bietet. Und das finden wir hart in einer Situation, wo eventuell mal ein bisschen mehr Parknot herrscht.

Auslöser dieses nochmaligen Nachhakens waren übrigens die Planungen in Durlach-Aue (siehe der Artikel in ka-news.de), wo wir uns absolut unsicher sind, was hier geplant ist: Tempo 20 als zusätzlicher Schutz bei Gehweg in engen Verhältnissen (begrüßenswert) oder Entfall des Gehwegs wie in der Lothringer Straße (nicht ok)?

Generell denken wir, das Fall 6 des Karlsruher Konzepts kann nur als echter verkehrsberuhigter Bereich Anwendung finden. Leider ist das nämlich in Deutschland der einzige Zustand, wo der Fußgänger und Radfahrer vom Autofahrer gleichberechtigt oder sogar vorrangig berechtigt anerkannt werden muss.

Hintergrund verkehrsberuhigter Geschäftsbereich (Tempo 10/20 Zone)

„Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“: Einfach langsamer
Eine anderes deutsches Instrument zur Aufwertung von Geschäftsstraßen ist der „Verkehrsberuhigte Geschäftsbereich“. Obwohl nicht auf Mischflächen ausgerichtet, ist er hier aufzuführen. Erstens wegen der Namensähnlichkeit, zweitens weil er oftmals als Alternative zu Mischflächen und allen oben genannten Betriebsformen angesehen. Hinter dem großen Namen verbirgt sich einzig und allein ein Schild, das die Fahrzeuggeschwindigkeit begrenzt: Eine Variante zur Tempo-30-Zone, die die Anordnung von Fahrzeughöchstgeschwindigkeiten zwischen 5 und 30 km/h zulässt. Sonst verändert die Regelung nichts: Es bleibt beim Vorrang des Fahrzeugverkehrs, Fußgänger/innen dürfen die Fahrbahn nur „zügig und auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung“ überschreiten – wie bei normalen Straßen. Manchmal können zudem wiederholende Höchstgeschwindigkeitsschilder eingespart werden.
(Quelle: http://www.strassen-fuer-alle.de/vergleich/41-verkehrsberuhigungstypen/vergleich/114-mischflaechen-shared-space-begegnungszonen.html)

Rechtlich handelt es sich ausschließlich um eine Geschwindigkeitsbegrenzung für den Fahrzeugverkehr. Die Fahrbahn bleibt Fahrbahn und wird in der Regel von zwei Gehwegen eingerahmt. Für den Fußverkehr gelten die normalen Vorschriften des § 25 StVO (Fahrbahn darf nur zum Queren betreten werden, Fußverkehr ist wartepflichtig usw.). Unabhängig davon kann sich bei entsprechender Gestaltung ein Verkehrsverhalten einstellen, dass der Fußverkehr sich einen Vorrang vor den Fahrzeugen einfordert bzw. ihn von diesen oft gewährt bekommt.
(Quelle: http://www.netzwerk-sharedspace.de/planung/information/regeln.php)

In verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen sind Fußgänger und Fahrzeugführer baulich und verkehrsrechtlich getrennt, Radfahrer und Kraftfahrzeuge (Kfz) werden auf der Fahrbahn und Fußgänger auf dem Gehweg geführt. Sie eignen sich für städtische Zentren mit hohem Fußgängeraufkommen, überwiegender Aufenthalts- bzw. Einkaufsfunktion und sichern dabei die Erreichbarkeit von Geschäften und Restaurants mit dem Kfz. Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche stellen ein geeignetes Mittel zur kurzfristigen Verbesserung der Verkehrssituation und -beruhigung in sensiblen Straßenabschnitten ohne kostenintensive Umbaumaßnahmen dar [FGSV00a].
(Quelle: https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/83666/)